Samstag, 3. Oktober 2015

Wiener Akademiker Kreis: WIENER MEMORANDUM 2015. AUFRUF ZUR DRINGENDEN LÖSUNG DES WELTWEITEN ASYL- UND MIGRATIONSPROBLEMS

Europa steht vor einer der größten Herausforderungen seit dem 2. Weltkrieg. Die Krise in der Ukraine, das Problem Griechenland, die wachsende Verschuldung und zunehmende Arbeitslosigkeit stellen ungelöste Probleme dar. Diese werden durch Migrationsströme noch verstärkt, sodass die von vielen Beobachtern bereits aufgezeigte Gefahr besteht, dass Europa unter dem Zusammenbruch der Sozialsysteme in ein unkontrollierbares Chaos versinkt. Rasches Handeln zur Sicherung der Grenzen ist erforderlich, der Rechtsrahmen für die Zukunft ist neu zu gestalten, die bisher widersprüchlichen und unzureichenden Rechtsvorschriften sind den realen Gegebenheiten anzupassen.  
Der Wiener Akademiker Kreis ruft daher die Regierungen in Europa, die Europäische Union, die Vereinten Nationen sowie alle mit Migration befassten Organisationen auf, dringend Maßnahmen zur Prävention und Abwehr irreversibler Schäden zu setzen.

  1. SITUATIONSANALYSE

1. Die Migrationswelle aus Afrika und Asien hat ihren Höhepunkt noch lange nicht erreicht. Gunnar Heinsohn, Professor für Militärdemographie am NATO Defense College rechnet bis 2050 mit 950 Millionen Migranten allein aus Afrika und dem Nahen Osten.

2. Die Migranten werden zu 90% von Schlepperorganisationen über Tausende von Kilometern nach Europa gelotst, wobei bis zu 17 Staaten durchquert werden. Der Vertreter Großbritanniens sprach bei einer Sitzung der Agentur Frontex von 3.000 Schlepperorganisationen mit 29.000 Helfern.

3. Die Tragödien im Mittelmeer mit Tausenden von Toten haben die Europäische Union zwar aufgeweckt, effiziente Maßnahmen sind jedoch ausgeblieben. Die Schlepperorganisationen sind von der Mittelmeerroute auf die Landroute via Griechenland, Mazedonien, Serbien und Ungarn ausgewichen. Seit Jänner 2015 haben bereits 80.000 Migranten die Grenze nach Ungarn überschritten. Ungarn steht an erster Stelle, sowohl was die Anzahl der Migranten, als auch die Belastung pro Einwohnerzahl anbelangt. Auch die Errichtung von Zäunen wie in Griechenland, Bulgarien, Frankreich und jetzt auch in Ungarn, kann das Problem nicht lösen.

4. In den Randstaaten werden die Migranten nicht registriert, auch in Deutschland erscheint eine Registrierung nicht mehr möglich. Die Migration wird daher auch zu einem gefährlichen Sicherheitsproblem. Es gibt bereits deutliche Hinweise darauf, dass gewaltbereite Angehörige der IS nach Europa eingeschleust werden, mit dem deklarierten Ziel der Errichtung von Islamischen Kalifaten auch in Europa.

5. Die Europäische Union hat bisher versagt. Die Dublin III - Verordnung ist nicht nur ungerecht, weil ausschließlich Randstaaten belastet werden, sondern auch rechtsirrig, weil sie keine Unterscheidung zwischen Flüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten trifft. Die Gleichstellung von Flüchtlingsschutz und Internationalem Schutz ist ein politischer und rechtlicher Fehler.

6. Die Rückführungsrichtlinie 2008/115/EG ist nicht effizient und wird nicht angewendet, ebenso ist die für den Grenzschutz zuständige Agentur Frontex zahnlos und ungeeignet.

Auch der 10-Punkte-Beschluss der Europäischen Kommission, welcher die Zerstörung der Schlepperboote von Libyen nach Europa zum Ziel hat, löst das Problem nicht, und schon gar nicht die ins Auge gefasste Aufteilung der Migranten - und zwar weder auf Grund einer verpflichtenden Quote noch auf freiwilliger Basis.

Die Einwanderungslawine von Wirtschaftsflüchtlingen ist nicht aufzuteilen, sondern zu stoppen. Einwanderung darf man nicht aufdrängen. Die bisherige Auffassung, dass die Migration unter allen Umständen und für alle in Europa eine Bereicherung sei, hat der Realität zu weichen.

7. Die nicht mehr adäquate Genfer Flüchtlingskonvention aus dem Jahre 1951 ist durch eine Konvention zu ersetzen, welche den neuen Bedrohungen und der geänderten weltpolitischen Lage gerecht wird.

  1. DERZEITIGE RECHTSLAGE

Rechtlich sind 3 Kategorien von Migranten zu unterscheiden.

  1. Flüchtlinge nach der Genfer Konvention über die Rechtsstellung der
Flüchtlinge

Hierzu gehört auf Grund der Definition in der Konvention eine Person, welche sich „aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb ihres Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.“

Krieg, Bürgerkrieg, sonstige kriegerische Handlungen, bewaffnete Konflikte, Stammesfehden, sind keine asylrelevanten Fluchtgründe. Die Flüchtlingseigenschaft nach der Genfer Konvention und damit ein dauerndes Bleiberecht kommt daher nur einem geringen Prozentsatz der Migranten zu.


-Wiener Memorandum 2015 Seite 3-

  1. Personen, die Anspruch auf subsidiären Schutz haben

Hiezu gehören Personen, denen kein Asylstatus zusteht, die aber nicht zurückgeschickt werden können, weil sie in ihrem Heimatland von kriegerischen Angriffen, der Todesstrafe oder menschenunwürdiger Behandlung bedroht sind.

Die Europäische Union hat in der Statusrichtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.4.2004, geändert durch die Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und Rates vom 13.12.2011 den Begriff des Flüchtlings gemäß der Genfer Konvention ergänzt und den Begriff des Internationalen Schutzes eingeführt. Dieser umfasst auch einen subsidiären Schutz für Personen, die zwar kein Recht auf Asyl haben, aber trotzdem nicht in ihr Heimatland zurückgeschickt werden können, weil ihnen dort ernsthafter Schaden droht.

Als ernsthafter Schaden gemäß Artikel 15 der Richtlinie gilt:

a Die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe
b Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung
c Eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer
Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder
innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes.

Gleichzeitig wurden die in der Genfer Konvention taxativ aufgezählten Verfolgungsgründe interpretiert und erweitert. Insbesondere sind auch geschlechtsbezogene Aspekte, ein-schließlich der geschlechtlichen Identität zu berücksichtigen. Die bloße politische Meinung ist asylrelevant, auch dann wenn keinerlei Tätigkeit auf Grund dieser Meinung entfaltet wurde.

Die Europäische Union hat somit auf dem Umweg über eine Richtlinie die Genfer Konvention ausgedehnt, wobei dieser erweiterte internationale Schutz nur für Mitglieder der Europäischen Union – mit Ausnahme von Großbritannien, Irland und Dänemark - gilt.

  1. Wirtschaftsflüchtlinge

Die größte Gruppe (ca. 90 %) bilden jene Migranten, welche weder Asylberechtigte nach der Genfer Flüchtlingskonvention noch subsidiär Schutzberechtigte sind, sondern aus rein wirtschaftlichen Gründen von den gut organisierten Schlepperorganisationen nach Europa geschleust werden.

Diese illegalen Migranten haben kein Recht auf subsidiären Schutz und daher auch kein Recht auf Aufnahme. In der Praxis wird jedoch keine Unterscheidung getroffen, sie unterliegen demselben Verfahren wie Asylberechtigte und internationalen Schutzberechtigte, da es derzeit keine effiziente Möglichkeit der Kontrolle gibt, um die illegale Einwanderung von Wirtschaftsflüchtlingen zu verhindern. In der Praxis wird auch deren Rückführung nicht durchgeführt, weil entweder der Herkunftsstaat nicht bekannt ist, der Herkunftsstaat die Rückübernahme ablehnt oder weil einfach so viel Zeit verstreicht, dass ein Aufenthaltstitel insbesondere durch Eheschließung oder durch Arbeitsaufnahme erworben wurde.

-Wiener Memorandum 2015 Seite 4-

  1. ERFORDERLICHE MASSNAHMEN

  1. Aufkündigung bzw. Revision der Genfer Flüchtlingskonvention

Die aus dem Jahre 1951 stammende Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge hatte nach dem 2. Weltkrieg den Schutz der aus den kommunistischen Ländern geflüchteten und vertriebenen Personen zum Ziel. Sie war bereits 1990 überholt und ist zur Gänze aufzukündigen oder einer Revision gemäß Art. 45 der Konvention zu unterziehen und den geänderten geopolitischen Gegebenheiten anzupassen.

Die heutigen Opfer politischer Verfolgung flüchten zumeist vor islamischem Terror sowie Gewalt in Afrika und Asien. Eine geographische Beschränkung des Geltungsbereiches nach Kontinenten erscheint daher dringend geboten, wie es die Flüchtlingskonvention 1951 bereits vorgesehen hatte, als die vertragsschließenden Staaten den Geltungsbereich wählen konnten (Europa oder „Europa und anderswo“). Es gibt auf jedem Kontinent sicheren Schutz bietende Staaten und liegt die kontinentale Einschränkung auch im Interesse der Flüchtlinge, weil die Flucht mit weniger Risiken verbunden ist und innerhalb des gleichen Kulturkreises auch eine bessere Integration erfolgen kann.
  1. Abschluss einer Internationalen Konvention zur Regelung des
Internationalen Schutzes von Kriegsflüchtlingen

Es ist unhaltbar, dass mangels völkerrechtlicher Vereinbarung lediglich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union (ausgenommen das Vereinigte Königreich, Irland und Dänemark) verpflichtet sein sollen, Migranten aus kriegerischen Konfliktzonen aufzunehmen. Der Abschluss einer völkerrechtlich verbindlichen Konvention im Rahmen der Vereinten Nationen zur Regelung des Schutzes von Opfern von Kriegen, Aggressionen und schwerer Verbrechen gegen die Menschlichkeit erscheint unabdingbar. Diesen Personen ist temporärer subsidiärer Schutz zu gewähren, und zwar bei Vorliegen folgender Voraussetzungen:

  • Vorliegen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes in Form eines Krieges oder Bürgerkrieges
  • Bedrohung durch einen solchen bewaffneten Konflikt
  • Angriffshandlungen wie sie im Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofes in Bezug auf das Verbrechen der Aggression definiert sind.

  1. Fluchtalternative

In keinem Fall besteht ein Recht auf Gewährung von Schutz, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben oder eine Antragstellung in einem sicheren Drittstaat möglich und zumutbar war. Die Antragstellung hat jedenfalls auf dem eigenen Kontinent zu erfolgen. Eine kontinentübergreifenden Maßnahme bzw. Gewährung von Schutz kann auf freiwilliger Basis erfolgen, etwa für verfolgte Christen, denen eine Antragstellung in einem islamischen Staat nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Für diese tatsächlich schutzbedürftigen Personen ist in Europa derzeit leider kein Platz, weil dieser mit illegalen Einwanderern besetzt ist.

-Wiener Memorandum 2015 Seite 5-

  1. Rückführung und Sicherung der Außengrenzen

Die effiziente Sicherung der Außengrenzen Europas, wie dies bereits in den USA und Australien geschieht, ist derzeit die vordringlichste Maßnahme. Personen, denen weder der Status eines Asylberechtigten noch eines subsidiär Schutzberechtigten zukommt, sind bereits an den Grenzen abzuweisen. Dies gilt analog für Personen, die eine innerstaatliche Fluchtalternative oder Schutz in einem sicheren Drittstaat nicht in Anspruch genommen haben.

Kontrollen haben auch außerhalb Europas stattzufinden und sind zu diesem Zweck Aufnahmezentren in Afrika und Asien einzurichten, welche einer europäischen Kontrolle, einschließlich einer militärischen Kontrolle, zu unterliegen haben.

Die zur Sicherung der Außengrenzen vorgesehene Agentur Frontex ist personell und finanziell so auszustatten, dass sie in der Lage ist ihre Aufgaben zu erfüllen. In gleicher Weise sind die Staaten zu unterstützen, um ihnen die Erfüllung ihrer im Prümer Vertrag vom 27.5.2005 übernommenen Verpflichtungen zur Bekämpfung der illegalen Migration zu ermöglichen.

  1. Bekämpfung der Schlepperorganisationen

Wiewohl man die Zentren der Schlepperorganisationen kennt, wird deren weltweites Netz, dessen Einnahmen jene des Drogenhandels übersteigen, nicht zerschlagen. Dies sollte das wichtigste Ziel sein. Eine geographische Einschränkung des Schutzes auf den eigenen Kontinent würde den Versprechungen der Schlepper den Boden entziehen und Europa als Ziel ausschalten. Die finanzielle Ausnützung und Überredung zur Aufgabe der Lebensgrundlagen in der Heimat für eine ungewisse Zukunft ist das eigentliche Verbrechen an den Migranten.

  1. Rechtsgutachten und Einschaltung des Internationalen Strafgerichtshofes

In Fällen von Massenauswanderungen ist ein Gutachten der Vereinten Nationen bzw. des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag einzuholen, um die Ursachen des Konfliktes und allenfalls die Verantwortlichen festzustellen. Für den Fall einer solchen Feststellung ist der Internationale Strafgerichtshof zur Überprüfung der Strafbarkeit eines Verbrechens gemäß Artikel 5 des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofes einzuschalten.

  1. Präventive Maßnahmen vor Ort

Migrationsbewegungen können nachhaltig nur durch Beseitigung der Ursachen verhindert werden. Präventive Maßnahmen vor Ort sind dringend notwendig. Siehe in der Beilage: Artikel von Prof. DI Dr. Heinrich Wohlmeyer „Warum nicht Asylpolitik an den Wurzeln?“

Wien, im Juli 2015
Für den Wiener Akademiker Kreis:
Dr. Eva Maria Barki, Rechtsanwalt
Prof. Dr. Emanuel Aydin, Chorepiskopos der Syrisch-Orthodoxen Christen in Österreich
András Pajor, Kath. Seelsorger, Präsident der Christlichen Kulturellen Akademie, Budapest


ERGÄNZUNG DES
WIENER MEMORANDUMS 2015

NEUERLICHER AUFRUF ZUR LÖSUNG DES WELTWEITEN ASYL- UND MIGRATIONSPROBLEMS
UND DES SYRIENKONFLIKTS UNTER
EINHALTUNG DES INTERNATIONALEN RECHTS

I.

Im Wiener Memorandum 2015 haben wir auf die Einhaltung der Genfer Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.7.1951 und darauf verwiesen, dass nicht nur Wirtschaftsmigranten, sondern auch Kriegsflüchtlinge nicht unter den Schutz dieser Konvention fallen.
Wir haben daher eine internationale Regelung der Rechtsstellung von Internationalen Schutz Suchenden vor Krieg, Bürgerkrieg, bewaffneten Konflikten und Aggression dringend angeregt.
II.
Derzeit werden Migranten von Schlepperorganisationen konzertiert nach Europa geschleust und wird damit auch in den Zielländern die Gefahr für Instabilität, Bürgerkrieg und Aggression geschaffen.
Wie wir im Wiener Memorandum 2015 ausgeführt haben, ist es neben der Bekämpfung der Schlepperkriminalität daher dringend notwendig, die Aufnahme von Asylwerbern und Internationalen Schutz Suchenden nach folgenden Kriterien zu regeln:
  • Fluchtalternative im eigenen Land
  • Aufnahme in benachbarten Ländern, jedenfalls aber
  • Aufnahme auf dem eigenen Kontinent, um die Schwierigkeit der Anpassung an eine fremde Kultur zu vermeiden und die Rückkehr in das Herkunftsland zu erleichtern
  • Beachtung des Verursacherprinzips und Einforderung der vollen Verantwortung jener Staaten und Akteure, deren völkerrechtswidrige Aktionen die Fluchtbewegungen verursacht oder verstärkt haben.

III.

Syrienkonflikt

Ein beachtlicher Teil der Migranten flüchtet vor dem Terror des sich gefährlich ausbreitenden Islamischen Staates (IS) in Syrien und dem Irak. Notwendig ist daher die Ausschaltung der IS Aggression und Wiederherstellung der staatlichen Ordnung in Syrien.
Beides hat auf der Grundlage des internationalen Rechts, insbesondere der Charta der Vereinten Nationen, der beiden UN-Menschenrechtspakte vom 16.12.1966 und der einschlägigen UN Resolutionen zu erfolgen.
Mit Bedauern stellen wir fest, dass gerade jene westlichen Staaten, welche die Einhaltung der Menschenrechte immer betonen, in Missachtung des internationalen Rechts einer friedlichen Lösung entgegenstehen.
Wir erlauben uns daher die einzuhaltenden Rechte in Erinnerung zu rufen und einzumahnen:
Staatensouveränität:
  • Militärische Hilfe gegen den IS und militärische Unterstützung für illegale Strukturen ohne Einverständnis der legitimen Regierung Syriens verstößt gegen die in der UN- Charta in Kapitel I Artikel 1 genannten Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen sowie insbesondere gegen Artikel 2 Zif. 1 (Grundsatz der Gleichheit der Staaten) und Zif. 4 (Gewaltverbot, Achtung der politischen Unabhängigkeit).
  • Maßnahmen ohne Zustimmung der Regierung Syriens bedürfen der im Kapitel VII der UN-Charta normierten Feststellungen und Beschlüsse des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen. Alle militärischen Maßnahmen ohne Zustimmung des Sicherheitsrates und ohne Zustimmung der syrischen Regierung sind völkerrechtswidrig.
  • Das Recht auf Selbstverteidigung steht gem. Artikel 51 der UN-Charta ausschließlich der syrischen Regierung zu, nicht jedoch jenen Staaten, die sich zur Rechtfertigung für ihr eigenmächtiges Eingreifen auf den Schutz ihrer nationalen Sicherheit berufen.

Selbstbestimmungsrecht der Völker:

  • Die Überlegungen einzelner Politiker, ob der demokratisch gewählte Staatspräsident Syriens in eine „Friedensregelung eingebunden“ werden soll und ob mit ihm überhaupt geredet werden soll, sowie eine Friedenskonferenz, in der die Großmächte über das Schicksal Syriens entscheiden, widersprechen dem Selbstbestimmungsrecht der Völker.
  • Das Selbstbestimmungsrecht der Völker ist das völkerrechtliche Höchstprinzip und der fundamentalste Grundsatz des Völkerrechtes. Es ist in Artikel 1 Zif. 2 und Artikel 55 der UN-Charta normiert, insbesondere aber auf Grund der Artikal 1 des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 16.12.1966 (UN Menschenrechtspakt I) und Artikel 1 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte vom 16.12.1966 (UN-Menschenrechtspakt II), nicht nur gesatztes Völkerrecht, sondern zwingendes Recht (ius cogens).
Darüber hinaus ist das Selbstbestimmungsrecht als Völkergewohnheitsrecht in zahlreichen UN-Resolutionen und Gutachten des Internationalen Gerichtshofes anerkannt (IGH, Westsahara/Marokko, ICJ-Rep.1975 12/31 ff, Kosovo-Gutachten)
  • Dieses Recht besagt, dass jedes Volk frei über seinen politischen Status entscheiden und in Freiheit seine wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung gestalten kann. Gegen das Selbstbestimmungsrecht gerichtete Verträge sind gemäß Artikel 53, 64 der Wiener Vertragsrechtskonvention nichtig.

Schlussfolgerung: Friedensdialog unter Ausschluss aller raumfremden Mächte mit geopolitischen und wirtschaftlichen Interessen
Die Entscheidung, wer in Syrien Staatspräsident ist, obliegt ausschließlich dem syrischen Volk. Über die Zukunft Syriens haben weder die Großmächte noch Nachbarstaaten, noch sonstige raumfremde Akteure zu entscheiden, sondern ausschließlich das syrische Volk auf Grund des ihm zustehenden Selbstbestimmungsrechtes. Die derzeit im Vordergrund stehenden geopolitischen Interessen dienen nicht dem syrischen Volk und sind kein Garant für Frieden.
Zur Wiederherstellung von Recht und Ordnung und innerstaatlichem Frieden sollten daher als erste Stufe Gespräche der Regierung Syriens mit den Vertretern der Opposition, sowie den Vertretern aller Volksgruppen und aller Religionen im Rahmen eines Friedensdialogs geführt werden. Dieser Friedensdialog sollte unter Vermittlung mit Hilfe eines Staates erfolgen, der weder geopolitische noch wirtschaftliche Interessen an Syrien hat und das Vertrauen aller Gruppen genießt. Die beiden Friedenskonferenzen in Genf sind eben deshalb gescheitert, weil sie von geopolitischen Interessen und unrealistischen Vorbedingungen geleitet waren.
Ein Friede, der auf Verweigerung des Selbstbestimmungsrechtes beruht ist kein Friede im völkerrechtlichen Sinn und ist – wie viele historische Beispiele zeigen – die Ursache von neuen Konflikten.
Es gilt das Weltfriedenskonzept der Weltorganisation der Vereinten Nationen im Sinne des Selbstbestimmungsrechtes der Völker zu verwirklichen.

Wien, 29.9.2015

Für den Wiener Akademiker Kreis:

Dr. Eva Maria Barki, Rechtsanwalt
Prof. Dr. Emanuel Aydin, Chorepiskopos der Syrisch-Orthodoxen Christen in Österreich
András Pajor, Kath. Seelsorger, Präsident der Christlichen Kulturellen Akademie, Budapest